Zug um Zug – Kanada

Zwischen Alberta und Quebec liegen einige tausend Kilometer. Für mich galt es diese Ende August in irgendeiner Form zu überwinden. Nach einigem Überlegen fiel meine Wahl bezüglich des Verkehrsmittels auf die gute alte Eisenbahn, da diese abenteuerlicher und billiger als das Flugzeug, aber komfortabler als der Bus ist.

Am 24.8. verließ ich vormittags mein Hostel in Banff, um den Bus nach Calgary und von dort aus nach Edmonton zu nehmen, von wo aus dann der Zug abfahren sollte. Bereits die Busfahrt bot die ersten Probleme, da der Bus Calgary mit über einer Stunde Verspätung erreichte und ich damit den Anschlussbus nach Edmonton verpasst hatte. Zum Glück konnte ich noch einen Platz im nächsten Bus ergattern, der mich dann auch noch rechtzeitig nach Edmonton brachte. Angekommen im Busbahnhof Edmonton konnte ich dann verwundert feststellen, dass der Eisenbahnhof am anderen Ende der Stadt liegt. Der Zufall wollte es, dass im selben Bus eine Medizin-Doktorandin aus Köln saß, die genau wie ich den Zug um 23:59 Uhr nehmen wollte, sodass wir uns ein Taxi zum Eisenbahnhof teilen konnten. Am Eisenbahnhof bot sich uns allerdings schon die nächste Überraschung: Der Zug habe bereits 1,5 Stunden Verspätung, teilte uns der Bahnhofsvorsteher (ein schrecklich wichtiger Mensch) mit. Als wir dann endlich um 1:30 Uhr in den Zug einsteigen konnten, versuchten wir eine einigermaßen bequeme Schlafposition zu finden, da wir dann doch schon länger unterwegs waren. Bereits am nächsten Morgen teilten mir die Schaffner mit, dass ich meinen Anschlusszug in Toronto nicht bekommen würde, da der Zug in der Nacht weitere 2,5 Stunden Verspätung gesammelt hatte. Was mir die Schaffner allerdings nicht sagen konnten, war, was das konkret für mich bedeutete. Würde ich auf einen anderen Zug umgebucht werden? Würde ich dafür selbst aufkommen müssen? Würde ich eine Nacht am Bahnhof in Toronto verbringen müssen? Die Schaffner verwiesen lediglich darauf, dass ich die Crew der Ostküste darauf ansprechen müsste, diese werde allerdings erst am folgenden Tag den Zug übernehmen. Na toll! Ich saß also im Zug, hatte keinen blassen Schimmer, wann und wie ich an der Ostküste ankommen würde und ob bis dahin weitere Kosten auf mich zukommen würden. Hinzu kam, dass im Zug weder Telefonnetz noch WLAN war, sodass ich Vanessa, der ich ich versprochen hatte, an ihrem Geburtstag bei ihr in Quebec zu sein und die mich am Bahnhof abholen wollte, definitiv nicht erreichen konnte. Als wäre das nicht genug, fuhr der Zug die ganzen Tage durch die vollkommen trostlosen Weiten von Saskatchewans und Manitobas. Das einzige, was mir dazu noch einfiel, war: Hier will ich nicht mal begraben sein. In der Grundschule lernt man schon, dass man verschiedene Adjektive verwenden soll, um eine Erzählung anschulich zu gestalten. Es tut mir leid, aber es gibt nur ein Adjektiv, dass den Ausblick aus meinem Zugfenster beschreiben kann: trostlos. Da kein anderes passendes Adjektiv vorhanden ist, um die Gegend zu beschreiben, folgt an dieser Stelle ein Foto vom Hauptbahnhof in Saskatoon, der Hauptstadt Sasketchewans. Insgesamt war meine Laune an diesem Tag eher durchwachsen, wenn man das so sagen möchte.

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In der Nacht erreichten wir dann mit mittlerweile sechs Stunden Verspätung den Bahnhof von Winnipeg, der als einziger auf der gesamten Strecke über WLAN verfügt. Die zehn Minuten, die ich im Bahnhof hatte, bevor der Zug weiterfuhr, nutzte ich, um in Rekordgeschwindigkeit mein Hostel in Quebec zu canceln, da ich ja nicht rechtzeitig dort sein würde, und um eine Email an meine Unifreunde zu schicken, damit diese nicht vergeblich am Bahnhof von Quebec auf mich warteten. Nachdem ich dies erledigt hatte, war ich etwas beruhigt. In Winnipeg wechselte dann auch die Crew des Zugs und der neue, sehr freundliche Oberschaffner teilte mir mit, dass er zwar noch nicht sagen könnte, welche Lösung er für mich finden würde, dass die Eisenbahngesellschaft aber in in jedem Fall für eine Unterkunft und die Umbuchung aufkommen werde. Mit diesen guten Nachrichten im Hinterkunft schlief ich zufrieden ein (hinzu kam, dass ich mittlerweile herausgefunden hatte, wie man wirklich am bequemsten im Zug schlafen kann).

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, traute ich meinen Augen kaum. Über Nacht hatte der Zug die Grenze zu Ontario überfahren und die Trostlosigkeit Manitobas war der Schönheit Ontarios gewichen. Vollkommen begeistert starrte ich aus dem Fenster und sog die Bilder der endlosen Birkenwälder und glitzernden Seen (die teilweise sehr an Schweden erinnern) in mich auf. Erkenntnis des Tages: Auf ein Manitoba folgt immer ein Ontario. Ist so. Auch im übertragenen Sinne. Diesen Tag genoss ich, da ich meiner Ankunft an der Ostküste gelassen entgegen sehen konnte, da ich wusste, dass Viarail für meine Untekunft aufkommen würde, wenn ich es nicht bis zum Ende des 27.8. nach Quebec schaffen sollte.

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Am dritten Tag ereignete sich nicht viel. Mittlerweile sehnte ich mich nach frischen Kleidern und einer Dusche. Im Laufe des Tages erfuhr ich, dass Viarail einen Bus chartern wollte, der uns von Toronto bis nach Montreal bringen würde. Dort sollte ich eine Nacht in einem Hotel verbringen, um dann am folgenden Tag (dem 28.8.) endlich einen Zug nach Quebec City zu bekommen. Ich bat den Schaffner darum, dass er mich nicht auf den ersten Zug (der schon um 6 Uhr morgens fuhr), sondern auf den zweiten (der um 9 Ur fuhr) umbuchen sollte, damit ich wenigstens einige Stunden Schlaf bekommen könnte.

Am 28.8. (vier Tage nachdem ich Banff verlassen hatte) um 2 Uhr morgens erreichte ich endlich Montreal. Der Schaffner verwies mir noch den Weg zu dem Hotel, dass sich direkt im Bahnhof Montreals befindet und in dem ein Zimmer für mich gebucht sei. Nachdem ich die Eingangshalle des Hotels betreten hatte, überkam mich spontan ein leichtes Gefühl der Scham. Ich stand mit fettigen Haaren (vier Tage ohne Dusche…), mit Zahnpastaflecken auf demT-Shirt (wenn der Zug wackelt, kann man nicht so gut Zähneputzen) in einem seeehr eleganten Hotel. Piekfein, könnte man sagen. Schüchtern reichte ich der Dame an der Rezeption das Viarailformular, das die Reservierung auf meinen Namen beinhaltete. Die Dame verfügt ohne Zweifel über ein sehr hohes Maß an Professionalität, da sie sich in keiner Weise anmerken ließ, wie schmuddelig ich in dieser Empfangshalle wirkte. An dieser Stelle: Danke dafür!

Im Zimmer angekommen, überfiel mich ein riesiges Dauergrinsen, das in ein heimliches Kichern ausartete. Aber das möge man mir nachsehen, ich hatte seit Tagen nicht mehr als vier Stunden geschlafen und das geht dann irgendwann doch auf die Nerven. Trotz der späten oder frühen Stunde, je nachdem wie man es sieht, duschte ich erstmal fast eine Stunde lang. Das Bett war so schön, da konnte man sich einfach nicht dreckig reinlegen. Allerdings war es auch so schön, dass ich erstmal eine Runde darauf herumhopsen musste 🙂 . Sauber und duftend fiel ich in einen wunderbar tiefen Schlaf, der von nichts gestört wurde. Leider klingelte nach fünf Stunden schon wieder mein Handywecker, der mich daran errinnerte, dass ich um 9 Uhr meinen letzten Zug nehmen sollte. Im Zug angekommen hielt der Tag die nächste (angenehme) Überraschung bereit: Ofenbar hatte man mich auf die Business-Class umgebucht, in der ich dann erstmal ein warmes Frühstück serviert bekam. Am Mittag des 28.8. gelangte ich dann schlussendlich nach Quebec City, wo ich von Luise, Claudia und Vanessa gebührend empfangen wurde.

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Fazit: Es bleibt blöd, dass ich Vanessas Geburtstag verpasst habe, aber insgesamt gesehen, hat sich die Verspätung für mich voll gelohnt 🙂 Das Hotel und das Essen wäre mir sonst entgangen.

P.S. Im Hotel habe ich alle Seife und Shampooflaschen aus meinem Badezimmer mitgehen lassen. Wie Elisa zu sagen pflegt: Backpacker nehmen, was sie kriegen können! 😉

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